#freitagsgedanken – Eine andere Welt


Eine andere Welt

Ich bin zurück. Aus einer anderen Welt.
Genauer gesagt: von meiner ersten Geschäftsreise. Nach Hamburg.

Wie jetzt, andere Welt?! Hamburg ist gerade mal drei Stunden Flixbus-Fahrt von Berlin entfernt und ebenfalls eine Großstadt.
Ja, schon. Aber dennoch war ich für zweieinhalb Tage in einer anderen Welt. In einer dunklen, kalten, windigen, anstrengenden, manchmal deprimierenden und dennoch interessanten Welt.

Für zwei Tage bin ich eingetaucht in die 9-to-5-Arbeitswelt. Die Wel, in der man im Dunkeln losgeht und im Dunkeln wieder nach Hause kommt.
In die Welt der Betreuungsfachkräfte in einem Pflegeheim in der Nähe von Hamburg. In die Lebenswelt von Demenzerkrankten und denen, die ihnen das Leben erleichtern. In das klassische Modell der Arbeit, noch ganz ohne New Work.

Und gleichzeitig in eine Welt, in der Menschen ihr Herzblut in ihre Arbeit stecken. In der eine winzige Chihuahua-Hündin einer alten Frau Tränen in die Augen treibt, wenn sie dieses kleine Lebewesen fest an sich drückt, in Erinnerung an ihren Dackel.

Zugleich war ich in einer Welt, die ich nur als Zuschauer erleben kann. Ich schlief in einem ehemaligen Bordell auf der Reeperbahn mit blinkend roten Lichtern vor den Fenstern. Lange stand ich an diesem Fenster, schaute hinaus in diese fremde Welt.
Es war eine kühle, melancholische Welt. Eine Welt, in der man allein ist und sich dennoch genügt. Irgendwie.

Und während ich in dieser Welt saß, in einem blau-gestrichenen Bordellzimmer mit silbernem Stierkopf über dem Bett, erreichte mich eine Nachricht, die mich traurig machte, eine große Lebensumstellung bei einem Familienmitglied, ein Krankenhausaufenthalt.

Ich saß im Bad auf den schwarzen Fliesen, an die mit silber-glitzernden Minikacheln besetzte Wand gelehnt, und weinte.
Es tat gut und ich war dankbar für dieses kleine, kühle Reich, das ich als Rückzugsort hatte, dieses blaue Zimmer mit der hellblauen Satinbettwäsche, die mir jede Nacht vom Körper rutschte.
Ich hatte diese Welt liebgewonnen, sie war für kurze Zeit mein Zuhause geworden.

Auf dem plüschigen Flur, der nach Rauch und Parfum roch, und zwar ganz genauso wie die Wohnung meiner Oma früher, machte ich mir einen Tee und war dankbar für die Erfahrung.

An den Abenden ging die Sonne unter, während ich in Hamburg einfuhr, und ich rannte fast Richtung Wasser. Noch schnell die Speicherstadt angucken, noch schnell zu den Landungsbrücken. Ein bißchen leise klatschende Wellen und ein paar Schiffe sehen.

Auf der Rückfahrt war ich schrecklich müde. Die Tage haben geschlaucht und ich wusste, dass dies derAlltag für so viele Menschen ist.
Mir waren mein eigenes Leben und meine eigene Arbeitsweise fast ein bißchen peinlich. Dieser unglaubliche Luxus der freien Zeiteinteilung. Der unglaubliche Luxus, zu tun, was mir Freude macht.

Es war eine wichtige Reise. Sie hat mir gezeigt, wie ich arbeiten und wie ich nicht arbeiten will.
Was für ein fucking priviligiertes Leben ich eigentlich führe.
Und wie verdammt wichtig die New-Work-Bewegung ist.




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