Ehrlichkeit - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der siebenundsechzigste Wert ist:


EHRLICHKEIT

Wikipedia sagt:


Ehrlichkeit bezeichnet die sittliche Eigenschaft des Ehrlichseins (von „ehrlich“, ahd. „êrlîh“, mhd. „êrlîch“) und wird heute meist in der Bedeutung von Redlichkeit, Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Offenheit, Geradlinigkeit und Fairness verwendet.
Die Ehre (Ehrenhaftigkeit) als persönliches Attribut kann als Ergebnis der Ehrlichkeit (ehrlichen Verhaltens) angesehen werden. Parallel dazu läuft die Entwicklung von „ehrlich“ und „Ehrlichkeit“. Bis vor einigen Jahrzehnten verstand man unter einem ehrlichen Menschen ausschließlich einen Menschen, der nicht lügt und nicht stiehlt: So lautete die Forderung seit der Pädagogik der Aufklärung. Die Erziehung zur Ehrlichkeit oder – negativ gewendet – die Verabscheuung der Lüge blieb ein zentrales Anliegen erzieherischer Praxis. In neuerer Zeit – kurz nach dem Zweiten Weltkrieg durch literarische Werke wie etwa Osbornes Look back in Anger („Blick zurück im Zorn“) oder Kingsley Amis’ Lucky Jim angebahnt – hat sich eine Bedeutungserweiterung vollzogen: Als „ehrlich“ werden mittlerweile auch jene Menschen bewertet, die zu sich selbst, ihren Macken, ihren Defiziten, ihren entwicklungsbedingten Störungen usw. (reflektiert) stehen und nichts beschönigen. Unterschieden wird Ehrlichkeit im Reden, was bedeutet, die Wahrheit zu sagen, und die Ehrlichkeit im Verhalten, zum Beispiel um andere nicht zu manipulieren, nicht zu täuschen, um anderen nicht zu schaden oder einen Auftrag (ohne einen eigenen Vorteil wahrzunehmen und im Sinne eines fairen Auftraggebers) sachlich zu Ende bringen.(https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrlichkeit)

Ehrlichkeit ist ein Wert, über den ich mir immer wieder Gedanken mache.
In einer Welt, in der wir einander liebevoll, auf Augenhöhe und mit Achtsamkeit begegnen wollen, stellt sich die Frage, wie wir Ehrlichkeit in diesem Zusammenhang leben.

Ehrlichkeit wird von vielen als Ausrede für Beleidigungen benutzt. "Ich bin einfach nur ehrlich" gilt als Legitimation, sich wie ein Arschloch zu verhalten und das Gegenüber zu bewerten und somit herabzusetzen.
Aber wie bin ich ehrlich, ohne gemein zu sein?
Ich denke, der erste Punkt ist, dass ich meine Meinung sage, wenn ich danach gefragt werde. Wenn jemand an mir als Person oder an meiner Arbeit / meinem Werk herumkrittelt, ohne dass ich ihn danach gefragt habe, empfinde ich das oft als übergriffig oder beleidigend.
In meiner Zuschauertypen-Sammlung habe ich diesen Typus auch mitaufgenommen, denn er begegnet einem immer wieder. Natürlich sollte jeder seinen kritischen Blick schulen und ich begrüße es, wenn jemand seine Meinung in Worte fassen kann, auch und gerade, wenn sie negativ ist.

Mir hat es geholfen, mir selbst ein paar Fragen zu stellen, bevor ich jemandem negatives Feedback gebe:
  • Ist es nötig, um in der aktuellen Situation voranzukommen?
  • Ist es für die Person wirklich hilfreich?
  • Ist es für die Person wichtig?
  • Habe ich einen Verbesserungsvorschlag?
  • ... oder fühle ich mich gerade unterlegen und möchte nur den Status der Person senken?
Letzteres ist leider sehr häufig der Fall.
Sagt jemand nach einer Theaterinszenierung zu mir "Ihr wart zu leise.", "Ich hätte mir noch mehr Energie auf der Bühne gewünscht." oder "Ich habe die Handlung im 2. Akt nicht verstanden.", ist das für mich hilfreiche Kritik. Derjenige gibt mir wertvolles Feedback und benennt konkrete Probleme oder Fehler. Darauf kann ich eingehen und es beim nächsten Mal verbessern.
Sagt jemand hingegen "Naja, bei euch geht es ja hauptsächlich um den Spaß." oder "Die Gesangsnummer grenzte an eine Zumutung.", sind die Aussagen unkonkret, beleidigend gemeint und dienen dem Kritikgeber als Status-Heber. Er fühlt sich dadurch (kurzfristig) besser, ich mich beschissen. Und geholfen ist mir damit auch nicht.

Werde ich nicht nach meinem Eindruck oder meiner Meinung gefragt, ist immer die Frage, aus welchem Grund ich meine ehrliche Meinung sagen möchte.
Um dem anderen ein gutes Gefühl zu geben? Super.
Um dem anderen wirklich zu helfen! Super.
Um meine schlechte Laune loszuwerden und mich dadurch besser zu fühlen? Unnötig.

Wenn mein Gegenüber eine negative Meinung von mir nicht braucht, also damit nichts anfangen kann außer sich schlecht zu fühlen, dann ist es am sinnvollsten, einfach mal die Klappe zu halten.
Den anderen nicht zu beleidigen heißt nicht, ihn anzulügen. Den anderen nicht zu beleidigen heißt, dass mir sein Wohlergehen wichtig ist und ich ihm auf Augenhöhe begegnen will. Dafür muss ich mit meinen eigenen Unsicherheiten umgehen können – und diese auch einfach mal aushalten.

Denn im Grunde ist Ehrlichkeit etwas wunderbares. Sie schafft eine Nähe zwischen Menschen und sorgt dafür, dass wir uns verstanden und gesehen fühlen.
Wir können ehrlich zu uns selbst stehen, uns dem anderen so zeigen, wie wirklich sind. Wenn wir uns das trauen, brauchen wir keine Beleidungen mehr. Dann fühlen wir uns einfach so richtig wohl.

Schön formuliert es William Somerset Maugham:

Foto: "Meister und Margarita", Theatergruppe Vorspiel: https://www.facebook.com/TheatergruppeVorspiel/

Kommentare