Bescheidenheit - Blogreihe #wertekatalog

Es ist Value-Friday und es geht weiter mit der Blogreihe #wertekatalog,

Der vierundsechzigste Wert ist:


BESCHEIDENHEIT

Wikipedia sagt:
Bescheidenheit (von „sich bescheiden“, „sich zurücknehmen“, „sich begnügen“, „verzichten“) ist im heutigen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit „Genügsamkeit“, „Anspruchslosigkeit“, „Einfachheit“, „Zurückhaltung“. Sie kann sich auf die Wesensart eines Menschen beziehen (= Bescheidenheit als Charakterzug) oder auch nur ein bestimmtes Verhalten auszeichnen (= einfache Lebensführung, Luxus­verzicht). In der positiven Bewertung bildet sie den Kontrapart zu Begriffen wie „Geltungssucht“, „Überheblichkeit“, „Unbescheidenheit“, „Maßlosigkeit“ oder „Prunksucht“. In einer spöttisch abwertenden Tönung findet sie sich in Redewendungen wie „eine bescheidene Leistung“, „mit einer bescheidenen Intelligenz gesegnet“, „aus bescheidenen Lebensverhältnissen kommend“. Selbstironisch spricht man auch von „mein bescheidener Anteil“ (= geringer Anteil), „meine bescheidene Person“ (= meine Wenigkeit), „mein bescheidener Beitrag“, „meine bescheidene Gabe“ (= Mitbringsel/Spende).
Bescheidenheit kann damit als freiwillige Selbstbeschränkung, als schicksalsverordnete Einschränkung der Persönlichkeit oder der Lebensverhältnisse oder als ironische Untertreibung verstanden werden und erfährt daraus eine entsprechende Bedeutung. (https://de.wikipedia.org/wiki/Bescheidenheit)


Bescheidenheit ist für mich ein recht kontroverser Wert. Ich vermute, es ist ein Wert, der die Gemüter spaltet. Die einen werden Bescheidenheit für eine Tugend halten. Bescheidenheit wird nämlich gern in Verbindung mit Demut und Dankbarkeit genannt.
Für andere ist Bescheidenheit eine unnötige Zurückhaltung.

"Bescheidenheit ist eine Zier." dachte ich als Kind. Ich war ein glühendes Beispiel an Bescheidenheit. Ich habe sogar kleinste Geldgeschenke von meinen Großeltern abgelehnt ... zumindest eine Weile. Denn irgendwann merkte ich: von Bescheidenheit habe ich ja gar nicht soviel.
Die anderen finden mich nett und lieb, aber ist das wirklich so ein großer Mehrwert?
Im Vergleich mit denen, die unbescheiden sind, schneidet mein Gewinn deutlich schlechter ab.
Von Bescheidenheit kann ich mir nichts kaufen. Das ist leider Fakt. Und das Gefühl moralischer Überlegenheit flaute mit der Zeit immer mehr ab.

Ich begann zu differenzieren, in welchen Bereichen Bescheidenheit für mich wichtig oder tragfähig war, und in welchen nicht.
Eine materielle Bescheidenheit war mir in gewisser Weise immer ein bißchen immanent. Ich brauche nicht viel Geld, um glücklich zu sein. Eine Hausverwalterin hatte mit uns vor Jahren ein Gespräch, als wir eine Gewerbeimmobilie bei ihr anmieteten. Dazu guckte sie sich die Einkommenverhältnisse und auch die Ausgaben an. Letztere fielen sehr gering aus und sie fragte uns in Berliner Manier: "Wovon leben sie eigentlich? Von Luft und Liebe?" Ja, auf jeden Fall!

Auf anderen Gebieten war mir schon immer eine absolute Unbescheidenheit immanent. Verwöhnt mit tollen Eltern und einem super Bruder war für mich immer klar: im sozialen Umfeld für mich bitte nur das Beste vom Besten. An eine Beziehung und meine Freundschaften hatte und habe ich hohe Ansprüche. Schon immer war ich lieber allein als mit jemandem zusammen, mit dem es nicht hundertprozentig passt.
Auch beruflich und überhaupt im Leben habe ich das Bedürfnis nur Tätigkeiten auszuüben, die mir Freude machen. An denen ich Spaß habe. Das funktioniert nicht immer – Steuererklärung und Arztbesuche kann man ja nicht komplett ignorieren –, aber es funktioniert den Großteil der Zeit.

Bescheidenheit ist für mich keine Tugend. Sie ist ein Bedürfnis, das man hat oder nicht hat. Und man kann Bescheidenheit nur dann leben, wenn man sie auch empfindet.
Ein Mensch, der eine große Freude an Dingen und Gegenständen hat, wird vermutlich als Minimalist nicht glücklich werden, auch wenn die Vorstellung verführerisch ist.

Wir müssen nicht bescheiden sein. Wir dürfen auch absolut unbescheiden sein. Wir dürfen uns alles für uns wünschen:



Es gibt so viele wunderbare Dinge auf dieser Welt. Wenn wir etwas davon haben wollen, dürfen wir es uns nehmen. Wir dürfen zugreifen auf diesem großen Buffett. Es ist genug für alle da, wir nehmen niemandem etwas weg.

Bescheidenheit immer gern. Aber nur keine "falsche" Bescheidenheit!


Foto: "Gerüchte, Gerüchte", Theatergruppe Spielschauer: https://www.facebook.com/TheatergruppeVorspiel/

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