Tipps zum Textlernen



























Ab und an kommen wir im Leben in die Situation, Text auswendig lernen zu müssen - sei es ein Referat für die Uni, ein beruflicher Vortrag oder eine Rede für eine Hochzeit.
Beim Theaterspielen ist das Thema dauerpräsent und deshalb hier meine drei Lieblingstipps zum Textlernen:


1. Häppchen für Häppchen

Oft sind Sätze etwas verschachtelter und wollen einfach partout nicht in den Kopf wandern. In diesem Fall hilft es, sich den Satz stückchenweise zu erschließen und erst den Hauptsatz, die Grundaussage oder den ersten Satzteil zu lernen. Nach und nach können dann Nebensätze, Einschübe und genauere Erläuterungen hinzukommen bis der Satz komplett ist.
Hier ein Beispiel von Oscar Wilde:
"In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten des Familienlebens an den Tag zu legen, die an die schlimmsten Exzesse der französischen Revolution erinnert."
Als erstes lerne ich folgenden Teil auswendig:

"(Es) [...] scheint mir eine Verachtung [...] an den Tag zu legen [...]."

Wenn ich den Teil gut kann, stocke ich nach und nach auf (die hinzukommenden Teile sind markiert):
  • "In einer Reisetasche geboren [...] worden zu sein, scheint mir eine Verachtung [...] an den Tag zu legen [...]."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung [...] an den Tag zu legen [...]."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten an den Tag zu legen [...]."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten des Familienlebens an den Tag zu legen [...]."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten des Familienlebens an den Tag zu legen, die [...] erinnert."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten des Familienlebens an den Tag zu legen, die an die schlimmsten Exzesse [...] erinnert."
  • "In einer Reisetasche geboren oder zumindest aufgezogen worden zu sein, scheint mir eine Verachtung der traditionellen Gepflogenheiten des Familienlebens an den Tag zu legen, die an die schlimmsten Exzesse der französischen Revolution erinnert."


2. Bewegungsablauf imitieren

Unser Gehirn verknüpft Erinnerungen automatisch mit dem Umfeld und unserem Körper.
Wer kennt es nicht, dass man etwas holen oder nachschauen möchte, in einen anderen Raum geht, vergessen hat, was man ursprünglich dort wollte, wieder zurück geht, und es einem am vorherigen Ort wieder einfällt.
Bewegung hilft beim Einprägen von Lerninhalten, aber wir können den Effekt noch weiter steigern, indem wir uns genauso bewegen wie wir es später bei Wiedergabe des Textes tun werden.
Wenn ich also für einen Vortrag Text auswendig lerne, übe ich ihn gleich mit den passenden Handgesten, ich stehe dabei in passender Haltung, optimalerweise sogar an einem (improvisierten) Pult. Übe ich für eine Hochzeitsrede, binde ich das Aufstehen, an ein Glas klopfen und am Schluss das Anstoßen mit ein.

So verknüpfen wir im Kopf bestimmte Sätze oder Ausdrücke mit dazugehörigen Bewegungen oder Körperhaltungen und speichern sie besser ab.



3. Schreiben beim Reden

Wenn der Text schon grob sitzt, aber noch nicht flüssig von den Lippen gleitet, ist es Zeit, das Gehirn ein bißchen abzulenken. Such dir einen bequemen Platz, nimm einen Zettel und einen Stift und spreche den auswendig gelernten Text vor dich hin. Währenddessen schreibst du in stetiger Wiederholung die ganze Zeit etwas auf, was du im Schlaf kannst, z.B. deine Adresse oder deine Telefonnummer.
Das kannst du so lang wiederholen bis eine gewünschte Textpassage oder auch der ganze Text fest verankert sind.


Foto aus "Lysistrate", Theatergruppe Vorspiel: https://www.theatergruppe-berlin.de/vorspiel

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