"MACHT was ihr wollt" - Schaubühne Berlin

Letzten Mittwoch schrieb Stefan Matzke noch eine Gastkritik für meinen Blog, nun gibt es von mir eine Stückkritik zu dem Auftritt seiner Gruppe Polyrealisten an der Schaubühne.

Für letzten Freitag konnte ich Karten ergattern, sie waren sowohl im Mai als auch im Juni wahnsinnig schnell ausverkauft. Umso gespannter war ich auf die Inszenierung.
Letztes Jahr war ich bei der Inszenierung Happy Endings dabei und begeistert!

Das Bühnenbild begeistert mich auch diesmal, denn die Metallzaunelemente, die überall auf der Bühne verteilt sind, versprechen viel Bewegung. Am Bühnenrand sind die Aufgänge durch schwarze Glitzervorhänge verkleidet. Mit Glitzer kriegt man mich ja immer!
Als es losgeht, erklingt eine dunkle Showmaster-Stimme im Stil von Big Brother und erklärt die Spielregeln des Abends: alle Spieler auf der Bühne sind Teilnehmer und kämpfen um die "Macht". Sie können in verschiedenen Aufgaben Punkte sammeln, derjenige mit der höchsten Punktzahl gewinnt - und zwar die Macht, um eigene Anliegen umzusetzen.
Natürlich entspinnen sich im Laufe des Abends auch auf der Bühne Machtspielchen, von denen ich mir aber noch mehr gewünscht hätte. Bei Macht denke ich sofort an Status nach Keith Johnstone, aber das Thema wurde leider nicht so intensiv aufgegriffen. Der Status der einzelnen Teilnehmer schimmert zwar stets durch, ist in der Kommunikation untereinander aber nicht ganz so stark präsent.
Es kommen interessante Charaktere zusammen, Stereotype, verschiedene Aktivistentypen, Geschlechterrollen werden angesprochen. Letzteres hätte noch etwas mehr ausgebaut werden können, die Spieler haben die passende Energie und einer meiner Lieblingsmomente ist die entsetzte Abweisung, die eine Teilnehmerin auf der Suche nach der großen Liebe erhält, als sie gern von jemandem geküsst werden möchte. Als es dann um Punkte im Spiel geht, wird sie plötzlich bereitwillig geküsst.
Manchmal sind Figurdarstellung und Geschichte eines Kandidaten nicht ganz stimmig, oft ist die Darstellung spannender als die erzählte Geschichte.

Immer wieder können die Kandidaten zwischendurch Punkte durch sportliche Übungen erzielen, sie nutzen ihre Zaunabschnitte dafür und allein das Zuschauen ist erschöpfend. 
Die Inszenierung lebt von diesen kleinen energetischen Zwischenspielen, von körperlichen Kraftakten und Kämpfen, untermalt von toller Musik. 
Das Schlussbild, in dem die Spieler - von hinten beleuchtet - in Zeitlupe übereinander fallend nach vorn drängen, ist wunderbar atmosphärisch und mein Lieblingsbild des Abends.
Es ist laut Regie ein pessimistisches Ende, aber für mich ist dieses Schlussbild zugleich optimistisch, denn die Kandidaten ergeben sich nicht in die bestehenden Machtverhältnisse, sondern sie kämpfen. Immerhin.

Foto: Gianmarco Bresadola, 2016 (Schaubühne Berlin)
http://www.schaubuehne.de/de/produktionen/macht-was-ihr-wollt.html

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